DIS?connect

6 Minuten

Fotograf

Das Projekt Dis?Connect untersucht das Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz im Erleben von Konzerten. Es thematisiert die Gegensätze zwischen Menschen, die im Moment leben, die Musik gemeinsam feiern und körperlich wie emotional verbunden sind – und jenen, die das Geschehen durch ihre Smartphone-Kameras erleben, sich dadurch von der unmittelbaren Atmosphäre entfernen und isolieren.

Diese soziale Kluft wird visuell durch analoge Fotografien eingefangen, die mit 35mm-Film aufgenommen und auf außergewöhnliche Weise mit einem Entwickler auf Basis von Schweineblut verarbeitet wurden. Die Verwendung von Blut symbolisiert dabei sowohl die körperliche Verbundenheit als auch die emotionale Trennung, die sich zwischen den Konzertbesuchenden zeigt.

Die so entstandenen Bilder transportieren den inneren Konflikt zwischen Echtheit und digitaler Distanz und stellen die Frage, wie wir kollektiv Erlebnisse wahrnehmen – oder eben verpassen.


Das Projekt “Dis?Connect” beschäftigt sich mit dem Verhalten von Menschen bei Konzerten. Während manche Personen sehr interaktiv mit anderen interagieren und teilweise auch sehr intim miteinander die Musik der Künstler feiern, so sind andere Personen komplett “out of touch” und filmen das Geschehen mit ihrem Handy.

Die Verbundenheit der Personen die im Moment leben und die Atmosphäre zusammen mit anderen feiern ist eine vollkommen andere Beziehung wie diese zwischen den Personen welche die Eindrücke ihres Handys mit der Außenwelt teilen oder auch einfach nur ein Video auf dem Handy haben, welches niemals wieder von jemandem geschaut wird.

Während sich eine Gruppe von Menschen beim Feiern direkt berührt, sowohl körperlich als auch mental – und dadurch, dass sie im gleichen Moment leben – ist eine andere Gruppe von Menschen so stark von der Situation distanziert wie nur möglich. Die Möglichkeit, das Konzert zu erfahren und gleichzeitig dieses nur durch den Bildschirm ihres Handys zu erleben, schränkt sie selbst stark ein und distanziert sie auf eine einschneidende Art und Weise.Dennoch sind beide Gruppen meist stark vermischt im gleichen Raum und zur gleichen Zeit, was zu einem unausweichlichen Konflikt führt.

Dieses Verhalten bzw. diese verschiedenen Ansätze, ein Konzert zu erfahren, setzt dieses Projekt in Kontrast.

Der klare Kontrast ist auch sichtbar in der Art, wie die Bilder entstanden sind. So sind die Fotografien analog mit 35mm Film gemacht worden und dann später mit einem speziellen Entwickler aus Schweineblut entwickelt worden. Das Blut hat hierbei erneut die Bedeutung der Verbundenheit der Personen, die an dem Konzert teilhaben und gleichzeitig die Spaltung, die dort ebenfalls vorhanden ist.

Das Blut ist visuell als Entwickler in Form von leichten Schlieren und Texturen in normal gleichfarbigen Bereichen sichtbar geworden. Zusätzlich dazu wurden die Bilder gescannt, digital nachbearbeitet und teils mit weiteren Texturen von Blut versehen, die im Verlauf des Entwicklungsprozesses aufgenommen wurden.

Von der Recherche bis zum finalen Ergebnis hat es etwa 3 Monate gedauert. Die Bilder sind auf dem Ragnarök Festival in Lichtenfels entstanden und mit verschiedenen Kameras aufgenommen worden.

Genutzt wurden:

  • Exakta Varex VX mit 28mm f3.5, 135mm f3.5, 50mm f2.8
  • Revueflex 3000SL mit 35mm f2.8
  • Nikon DSLR (Blut Texturen)

Als Film hat sich Ilford HP5 Plus 400 angeboten, da dieser recht lichtsensitiv ist und gleichzeitig auch sehr stark gepusht werden kann, was in dunklen Räumlichkeiten durchaus nötig ist.

Insgesamt sind 8 Rollen Film bei dem Festival entstanden. Eine weitere Rolle Film ist später als Testrolle noch dazu gekommen, um den Entwickler zu erforschen.

Als Basis ergibt sich für eine Rolle Film:

  • 150ml Schweineblut
  • 150ml Wasser
  • 9g Waschsoda
  • 2g Vitamin C

Im Prinzip löst das Waschsoda und Vitamin C die unbelichteten Silberkristalle aus dem Film, welche sich dann an das Schweineblut binden, damit diese entfernt werden können. Ähnlich wie bei anderen alternativen Entwicklern wie mit Kaffee ist das Blut nur Trägermaterial hierbei.

Dennoch sind verschiedene Tests mit unterschiedlichen Temperaturen, Entwicklungszeiten und Mischungsverhältnissen geschehen, um das bestmögliche Verständnis über das Verhalten des Entwicklers zu ergründen.

Der erste Test war bloß mit ein paar Film-Endstücken, um den Schwarzwert zu erkennen. Danach den Vergleich verschiedener Entwicklungszeiten. Wobei sich herausgestellt hat, dass im Schnitt die doppelte Entwicklungszeit wie die für HP5 Plus 400 normal angegebene für XTOL 1+1 für den Entwickler aus Blut ausreicht. 

Im Nachgang sind Tests mit Variationen in der Menge von Waschsoda, Vitamin C und auch die Nutzung von nur Blut ohne Wasser geschehen. In Anbetracht der Ergebnisse kann man allerdings nicht sagen, dass die Verwendung von einem anderen Entwickler das Ergebnis so stark verändert, dass es unbrauchbar wäre.

Zwischen dem ersten Test und den restlichen lagen etwa eine Woche. Was zu dem Zeitpunkt noch nicht klar war, ist, dass das Alter des Blutes große Auswirkungen auf das Resultat hat. So kann man sagen, dass das Blut etwa ein bis zwei Wochen lang gekühlt nutzbar ist, allerdings wird es durchgehend schwerer mit der Flüssigkeit zu entwickeln. Speziell wenn es zwischendurch kurzzeitig wärmer wird und dann wieder gekühlt wird.

Nach etwa einem Monat nach den ersten Tests sind der ersten Tatsächliche Filme entwickelt worden und das Ergebnis ist komplett unbrauchbar. Zu dem Zeitpunkt ist klar geworden, dass das Alter des Blutes einen großen Einfluss auf das Ergebnis hat. 

Allerdings sind auch noch zwei andere Dinge aufgefallen. So hat das Blut natürlich mehr gestunken und ist deutlich dunkler geworden. Allerdings ist der Film nach der Entwicklung auch rot gefärbt worden. Das heißt, möglicherweise kann man in einer anschließenden Positiv-Entwicklung älteres Blut zum Färben von Abzug verwenden. (Ob man an dieser Stelle nicht vielleicht lieber etwas anderes nutzen möchte, wie Rote Beete oder Hagebutte, ist mal dahin gestellt).

Nachdem das alte Blut nicht mehr verwendet werden konnte, ist frisches bestellt worden und die Beutel, in denen das Blut geliefert wird, wurden verwendet, um auf einem Reprotisch mithilfe einer Nikon DSLR die Texturen abzulichten.

Eine Woche später ist mit dem frischen Blut erst ein Film mit 1600 ISO entwickelt worden. Dieser wurde gepusht, da der ursprüngliche ISO 400 Wert nicht ausgereicht hätte. Das Pushen erfolgt ähnlich wie mit normalen Entwickler auch, nur wird hier wiederum die Zeit in etwa verdoppelt. Grundsätzlich gilt immer, wenn man sich nicht sicher ist, lieber etwas länger entwickeln. Wenn weiß anfängt grau zu werden, war es vielleicht etwas zu lang, aber wenn schwarz noch durchsichtig ist, ist der Film leider hoffnungslos verloren.

Die verbleibenden 6 Filme sind kurze Zeit später entwickelt worden. Wobei alle Filme jeweils zu 3200 ISO gepusht wurden, was die Körnung enorm erhöhte.

Der Scan Prozess der Negative erfolgte daraufhin mithilfe eines Filmomat 135 Autocarriers und einer Sony A7iii mit einem Kopiergerät und einem EXA 50mm f2.8 Objektiv. Wobei die Blende bei etwa f8.0 steht, um Ungenauigkeiten in der Schärfe auszugleichen.

Am Computer sind die finalen Bilder mit Hilfe von Lightroom ausgewählt worden und weiter in Photoshop bearbeitet, um fertige Druckdaten zu erstellen.

Als finales Ergebnis des Projektes sind ein DIN A1 und vier DIN A2 Fotografien auf seidenmattem Papier gedruckt und bei der Ausstellung “Touch” in der Hochschule Mainz ausgestellt worden. Die Ausstellung war vom 03.07. – 10.07.2025 Öffentlich zugänglich.

Im Nachgang an die Ausstellung soll noch ein Fotobuch mit den bereits ausgestellten Bildern, aber auch einigen weiteren Fotografien, die im Verlauf des Projektes entstanden sind, entstehen.

Hinter den Kulissen

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